NoRMAhl
Pressebericht

Rundschaubericht Normahl vom Dienstag, 27.02.2018.

Bericht & Foto: ANDREAS DEHNE

Gefährlich und wild wie ein Tiger

Sie gilt als die (vermutlich) dienstälteste deutsche Punkband: „Normahl“ bringt mit ihren Klassikern die Gaildorfer Kulturkneipe „Häberlen“ förmlich zum Beben.

Punk ist keine Religion“, skandieren lauthals die begeisterten Zuschauer im knallvoll besetzten „Häberlen“ in Gaildorf. „Punk ist, für sein Leben g’rad zu stehen – Punk ist, für seinen eig’nen Weg zu gehen.“ Sänger Lars Besa gibt sich keine Mühe, die wild singenden Fans zu beruhigen. „Leute, bleibt Punk, bleibt cool, macht was ihr wollt – Punk ist keine Religion.“

Nach knapp achtzig Konzertminuten folgt eigentlich der Übergang in die Zugabe. Aber das bekommt in der voll besetzten Kulturkneipe kaum jemand richtig mit. Zu gut ist die Stimmung. Die Band kann sich nicht mal richtig verabschieden, so frenetisch wird sie gefeiert.

Ein Schulkonzert im Stuttgarter Karls-Gymnasium im Jahr 1978 war die Geburtsstunde der Gruppe „Normahl“ aus dem Raum Winnenden. Mit Vorbildern wie den „Sex Pistols“ und Titeln wie „Kein Bier vor vier“ oder „Voll assi“ drückten die damals noch sehr jungen Jungpunker ihre Distanz zur Erwachsenenwelt aus. Und unter dem Jubel der Gaildorfer Fans spielen sie genau 40 Jahre später knapp zwei Stunden lang fast 30 ihrer besten Lieder. „Geh wie ein Tiger – immer auf und ab – beiß mir die Zähne aus – an jedem Gitterstab“, so einer ihrer Texte.

Sänger Lars Besa ist aber oft nicht zu verstehen. Für eine Band, die sehr viel Wert auf die Inhalte ihrer Songs legt, geht das eigentlich gar nicht. Aber es scheint an diesem Abend fast niemanden wirklich zu stören. Die eine Hälfte des Publikums singt begeistert mit, weil sie die Texte kennt. Die anderen genießen die Musik, die Stimmung und die wenigen eingängigen textlichen Fragmente, die immer wieder nur zu erahnen sind. „Ich möchte mal die ganzen Sachen seh’n, die man mir überall verspricht. Weiße Mäuse von allzu viel Alkohol und vom Haschen bunte Kugeln vorm Gesicht.“

Mick Scheuerle an der Gitarre, Christian Polzer am Bass und Raimund „Scobo“ Skobowsky am Schlagzeug begleiten Lars Besa bei ihrem Auftritt für die Kulturschmiede Gaildorf. Sowohl bei dem Genuss von „Gaildorfer Spezial“ als auch bei den mitunter verbalen Eruptionen seiner Lieder. „Bring hier nicht die Kacke, die du immer in deinen Pornofilmen siehst. Und stöhn’ hier bitte nicht so rum, du weckst mir noch die ganzen Nachbarn auf. Ist doch nicht so schwer, Mensch – sag doch einfach Drecksau!“ Beim Blick ins knallvolle „Häberlen“ muss man feststellen: So gut wie keine klassischen Punker sind anwesend. Ein oder zwei Irokesenschnitte, wenige Jacken mit Nieten. Keine sichtbaren Sicherheitsnadeln durch die Haut gesteckt. Ein paar tragen punkige Stiefel. Einige versuchen zu rauchen – trotz Rauchverbot. Die Band spielt vier Zugaben. Aber auch dann will sie keiner gehen lassen. Die Gruppe um den charismatischen Lars Besa hätte vermutlich gerne weitergemacht. Aber für Christian Polzer am Bass, der erst sein zweites Konzert in Vertretung für Manny Rutzen spielt, ist das Repertoire zu Ende.

„Punk ist keine Religion“, tönt es immer wieder laut durchs „Häberlen“. Irgendwie hört es sich an wie „Punk ist meine Religion“. Vielleicht ist es das ja doch. Oder wenigstens eine Lebenseinstellung.

Auf jeden Fall ein Konzert mit den in Ehren ergrauten Punkern von „Normahl“, das ankommt. Immer noch gefährlich und wild wie ein Tiger. Aber trotzdem ganz „Normahl“.

Die Bandgeschichte

„Normahl“ wurde 1978 von fünf Gymnasiasten aus Winnenden gegründet. Die Formation trat mit provokativen politischen Texten auf. 1981 erschien das erste Album „Verarschung total“. Titel wie „Biervampir“, „Geh wie ein Tiger“ oder „Punk ist keine Religion“ genießen noch heute Kultstatus. Zeitweise wurden Lieder der Gruppe als gewaltverherrlichend eingestuft und Tonträger beschlagnahmt oder in die Liste der jugendgefährdenden Medien aufgenommen. 1996 löste sich die Gruppe auf. Seit 2002 ist die Band wieder auf Tour. Ihre letzte CD erschien 2015: „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“ enthält zahlreiche Coversongs, etwa das „Kapitalistenlied“ von Georg Kreisler.

Text zum Foto (oben): In Würde gealtert: „Normahl“ in der Kulturkneipe „Häberlen“ in Gaildorf.

+ zwei Fotos Andreas Dehne (Quelle: NoRMAhl/ Facebook):

NoRMAhl
Samstag, 24.02.2018, 20:00 Uhr
Kulturkneipe Häberlen
Mitglieder 15 €, Nichtmitglieder 17 €

Das Comeback der Punk-Legenden! 1980 galten NoRMAhl als die Wegbereiter des Deutsch-Punks. 1992 waren sie mit „Kein Hass im Wilden Süden“ erste und ehrliche Mahner gegen Ausländerfeindlichkeit - lange bevor es in Köln schick war, Ärsche erheben zu lassen oder in Frankfurt die Plattenindustrie eine als „Rock gegen Rechts“ getarnte Promotionparty schmiss, die wahren Helden gegen Hass aber ignorierte. Sie waren stets die Warner - und das auch lange vor den Anti-Pegida-Bewegungen. „Friede den Hütten - Krieg den Palästen“ ist das richtige Motto in schwieriger Zeit.

Besetzung:
Lars Besa – Sänger
Mick Scheuerle – Gitarre
Christian Polzer – Bass
Scobo Skobowski – Schlagzeug

Ort: Kulturkneipe Häberlen
Kulturkneipe Häberlen, gaildorf
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